Frieder Reininghaus und der Klassische Chor der TU Kaiserslautern © Foto ITWM
Musikjournalist und Publizist Frieder Reininghaus referierte beim »Blick über den Tellerrand« im Januar zu Franz Schuberts »Winterreise«. Begleitet wurde er von illustrativen Klangbeispielen des Klassischen Chors der TU Kaiserslautern, der einige der ursprünglich 24 Lieder in einer Bearbeitung für gemischten Chor und Klavier von Thomas Hanelt darbrachte.
Im Januar vor 220 Jahren wurde Franz Schubert 220 geboren – ein passender Anlass um den »Blick über den Tellerrand« in diesem Monat musikalisch und literarisch zu gestalten. 1827, ein Jahr vor seinem Tod, komponierte der Österreicher den Liederzyklus »Winterreise« mit Texten von Wilhelm Müller. Bei der Vortragsreihe führten Publizist Frieder Reininghaus und der Klassische Chor der TU Kaiserslautern durch das Werk.
»Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück«
Vielschichtig sind die Deutungen dieser teils rätselhaften Texte des Dichters. Sind es nun Gedichte eines lebensmüden, jungen Mannes, der einfach vor der Realität flieht und sich dabei in narzisstischem Schmerz ergeht? Beim »Tellerrand« standen zunächst die Motive der deutschen Romantik im Mittelpunkt: Wanderlust, Fernweh, Liebeskummer, Todessehnsucht und Melancholie.
Den Auftakt der Choreinlagen machte dabei das Stück »Die schöne Müllerin« mit den bekannten ersten Zeilen »Das Wandern ist des Müllers Lust«; begleitet wurde der Gesang vom Pianisten Klaus Demuth. Die »Winterreise« sei auch als »Fortsetzungsgeschichte der schönen Müllerin« zu betrachten, so Reininghaus. In der Natur spiegeln sich die Gefühle des Reisenden wider. Ganz nach dem Motto »Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück« mischen sich Weltschmerz und Sehnsucht in Text und Musik.
»Winterreise« als musikalischer Ausdruck des Vormärz?
Die Musikwissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten aber noch einen ganz anderen Aspekt aufgedeckt, den Reininghaus betont: Sowohl beim Textdichter als auch beim Komponisten schwingen vielfach politische Anspielungen auf die restriktive Suppression durch das Metternich-Regime nach dem Wiener Kongress (1815) und den Karlsbader Beschlüssen (1819) mit.
Zensurbestimmungen und ein ausgebautes Netz von Spitzeln verhinderten die freie Meinungsäußerung. Jede Publikation musste zur Genehmigung eingereicht werden und erfuhr häufig Zurückweisung oder »Korrektur«. Unter diesem Aspekt lassen sich die Lieder der »Winterreise« als chiffrierte Botschaften an die freiheitsliebenden Intellektuellen betrachten. Auch Männerchöre bekommen eine ganze andere Bedeutung in dieser Zeit, sie stehen für den politischen Meinungsaustausch über Demokratie. Ein Abend voller Musik und unterschiedlicher Interpretationen, der bei anschließender Diskussion nach dem Vortrag fortgeführt wurde.
Kurz zur Vortragsreihe »Blick über den Tellerrand«
Einmal im Monat öffnet das ITWM die Türen für alle Interessierten und lädt beim »Blick über den Tellerrand« dazu ein, gemeinsam den Horizont zu erweitern. Die interdisziplinäre Vortragsreihe des Felix-Klein-Zentrums für Mathematik präsentiert unterschiedliche Referenten mit verschiedensten Themen. Jeder ist herzlich eingeladen zuzuhören und mitzudiskutieren. Der Eintritt ist frei.
Am 21. Februar 2017 findet der nächste Tellerrand statt. Zum Thema »Tiefenstimulation des Gehirns« referiert Professor Dr. med. Volker Sturm. Er ist ein international renommierter Hirnforscher, ausgewiesener Experte für Hirntumore, einer der Pioniere auf dem Gebiet der Hirnschrittmacher und war bis 2012 Direktor der Klinik für Stereotaxie und Funktionelle Neurochirurgie an der Universitätsklinik Köln. Er ist der Erste, der in Deutschland 1978 einen Hirnschrittmacher gegen Schmerzen implantierte.
Kurz zur Vortragsreihe »Blick über den Tellerrand«
Einmal im Monat öffnet das ITWM die Türen für alle Interessierten und lädt beim »Blick über den Tellerrand« dazu ein, gemeinsam den Horizont zu erweitern. Die interdisziplinäre Vortragsreihe des Felix-Klein-Zentrums für Mathematik präsentiert unterschiedliche Referenten mit verschiedensten Themen. Jeder ist herzlich eingeladen zuzuhören und mitzudiskutieren. Der Eintritt ist frei.