»Individualität« war das Stichwort des Abends beim »Blick über den Tellerrand« am 06.03.2018. Dr. med. Sebastian Kreiter vom biopharmazeutischen Forschungsinstitut Translationale Onkologie (TRON) in Mainz erläuterte einen neuen Therapieansatz zur Krebsbekämpfung. Während des Vortrags gab er Einblicke in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Immuntherapie bei Krebspatienten.
Gleich zu Beginn der Veranstaltung macht Kreiter deutlich: »Tumoren machen es uns nicht einfach«. Die Krankheit Krebs ist weltweit noch immer eine der tödlichsten Krankheiten, allein in Deutschland stirbt jeder Vierte an Krebs. Es sind keine Medikamente vorhanden, die für jeden einzelnen Patienten geeignet sind.
Kreiter beschreibt die Immuntherapie, bei der die T-Lymphozyten im Fokus stehen, als »vierte Säule der Krebstherapie«. Sie ergänzt die herkömmlichen drei Säulen Bestrahlung, Operation und Chemotherapie. Ziel der Therapie ist es, das Immunsystem so zu aktivieren, dass es den Tumor des Patienten erkennt, angreift und zerstört.
Individuelle Behandlung für individuelle Tumore
Jeder Tumor hat ein spezifisches Muster an Antigenen und Mutationen, welches ihn einzigartig macht. Diese müssen auf unterschiedliche Weise angesprochen werden, was bisher die Herstellung eines Mittels zur Bekämpfung von Krebs erschwerte. Doch durch die Immuntherapie kann sich das ändern. Mithilfe eines speziellen Sequenzierverfahrens, dem Next Generation Sequenzing (NGS), wird sich diese Eigenschaft zunutze gemacht. »Das eigentliche Medikament entsteht im Körper selbst«, erklärt Kreiter begeistert.
Industriell produzierte RNA ist der Schlüssel der Immuntherapie. »The beauty of RNA ist, dass wir in einer Art Lego-Prinzip vorgehen können. Es lassen sich bei der Produktion ganz einfach verschiedene Basen-Sequenzen kombinieren.« So kann für jeden Patienten ein individueller Impfstoff am Computer designt werden. Dies bietet u.a. den Vorteil, dass es zu keiner Abstoßungsreaktion im Körper kommt. Neben dieser Toleranz ist ein weiterer großer Pluspunkt die schnelle und vergleichbar simple Herstellung des Impfstoffs.
Vergangenheit und Zukunft der Immunforschung
Die Idee, aus dem Krebs-Genom eines Patienten ein eigenes Medikament herzustellen, ist kein neuer Ansatz. Kreiter erklärt, dass bereits 1990 die ersten Versuche in dieser Richtung unternommen wurden. Jedoch waren die technologischen Möglichkeiten damals begrenzt. Seit 2010 ist die Gensequenzierung möglich, sie bietet die Basis für die Herstellung von Impfstoffen auf mRNA-Basis.
»Auch für die Zukunft sind neue Medizinformate und Perspektiven zu erwarten«, so Kreiter. »Erste klinische Studien zu den Impfstoffen liefern vielversprechende Ergebnisse und in den nächsten fünf Jahren werden weitere Studien folgen.«
Zum Referenten und zur Vortragsreihe »Blick über den Tellerrand«
Dr. med. Sebastian Kreiter leitet die Abteilung zur Entwicklung von Immuntherapien am Mainzer Forschungsinstitut TRON. Außerdem ist er Vorstandsmitglied der Association for Cancer Immunotherapy (CIMT) und war Co-Autor zahlreicher Publikationen zum Thema präklinischen Erforschung von Krebsimpfstoffen.
Einmal im Monat öffnet das ITWM die Türen für alle Interessierten und lädt beim »Blick über den Tellerrand« dazu ein, gemeinsam den Horizont zu erweitern. Die interdisziplinäre Vortragsreihe des Felix-Klein-Zentrums für Mathematik präsentiert unterschiedliche Referenten mit verschiedensten Themen. Jeder ist herzlich eingeladen zuzuhören und mitzudiskutieren. Der Eintritt ist frei.
Beitragsbild: Dr. med. Sebastian Kreiter sieht in der individuellen Immuntherapie die Zukunft der Krebsforschung. © Foto ITWM