Die Themenkonferenz der Felix-Klein-Akademie stand dieses Jahr unter der Überschrift »Uncertainty Quantification«. Ein mathematisches Fachgebiet, das sich mit hoch komplexen und auf den ersten Blick chaotischen Vorgängen in Technik und Natur befasst, wie z.B. Ölförderung, Wettervorhersagen. Immer mit der Frage im Blick: Wie lässt sich dieses Verhalten prognostizieren? Mathematiker arbeiten daran, Unsicherheiten zu beseitigen oder zumindest zu berechen und auch solche Situationen quantitativ beschreiben.

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Das Programm zur Themenkonferenz  »Uncertainty Quantification UQ« können Sie hier herunterladen.

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Drei internationale Experten stellten ihre aktuellen Studien und Forschungsarbeiten vor. Ihr besonderes Augenmerk gilt dem Umgang mit Unsicherheiten. Das Ziel der Themenkonferenz war es, die Forschung anzuregen und über die Anwendungen in der Mathematik zu diskutieren. (v.l.n.r. Prof. Ivan Oseledets, Prof. Yalchin Efendiev und Prof. Robert Scheichl, © Foto ITWM)

Das Programm der Konferenz gestaltete sich rund um drei internationale Experten:

  • Prof. Robert Scheichl, PhD: University of Bath, Großbritannien Universität Heidelberg
  • Prof. Yalchin Efendiev, PhD: Texas A&M University (TAMU), College Station, USA
  • Prof. Ivan Oseledets, PhD: Skolkovo Institute of Science and Technology, Moskau, Russland

Alle drei sind renommierte Spezialisten für Uncertainty Quantification (UQ), ein relativ junges mathematisches Feld, das das Ziel der Unsicherheitsquantifizierung hat. Für sie gilt in all ihren Projekten die Verteilung von Fehlerquellen, Problemen und Unsicherheiten für Situationen, bei denen einzelne Parameter nicht bekannt sind, zuverlässig zu schätzen. Sie arbeiten in ihrer Forschung mit unterschiedlichen Methoden. Multilevel Monte Carlo Verfahren (MLMC), Markov-Chain-Monte-Carlo-Verfahren (MCMC) sowie Tensorzerlegung und Deep Learning Methoden zur multivariaten Funktionsapproximation gehören zum methodischen Rüstzeug.

Interview mit Robert Scheichl

Unsicherheitsquantifizierung spielt in vielen Bereichen eine Rolle – Beispiele zu Forschungsprojekten von der Erdölförderung über den Leichtbau und dem Finanzsektor bis hin zu Auswirkungen von radioaktivem Müll.

Robert Scheichl ist gerade von der University of Bath (Großbritannien) einem Ruf der Uni Heidelberg gefolgt. Der Österreicher ist dort nun an der Fakultät für Mathematik und Informatik für »Numerische Mathematik« zuständig. Auf der Konferenz stand sein Beitrag unter dem Motto: »Rien ne va plus: Multilevel Monte Carlo Methods«. Bei der Monte Carlo Methode steht die Berechnung von Messunsicherheiten im Fokus. Im Gespräch erläutert er uns seine Arbeit genauer:

 

In einem Ihrer Vorträge haben Sie das Beispiel eines radioaktiven Endlagers in einer Salzformation in New Mexico genannt. Dort werden in rund 600 Metern Tiefe radioaktive Abfälle in Fässern endgelagert. Klingt nach so einigen Unsicherheiten. Können Sie uns nochmal kurz erläutern, was es damit auf sich hat?

Es handelt sich dabei nicht (nur) um Abfälle aus militärischen Forschungseinrichtungen, sondern auch aus zivilen Kernkraftwerken und aus dem medizinischem Bereich. Es sind nicht so sehr die Unsicherheiten, verbunden mit der hohen ingenieurstechnischen Komplexität, die wir versuchen in den Griff zu bekommen. Es stimmt, dass das sehr komplex ist und guter Planung bedarf. Das hat aber nicht direkt etwas mit mathematischen Modellen und Differentialgleichungen zu tun.

Wo die mathematische Modellierung unumgänglich ist, ist die Unsicherheit eines versehentlichen Entweichens von radioaktiven Schadstoffen ins Grundwasser über sehr lange Zeiträume von 10.000 Jahren – zu untersuchen und zu garantieren, dass die Wahrscheinlichkeit dafür sehr niedrig ist. Die wichtigste Barriere, um das zu verhindern, ist die hydrogeologische, d.h. dass die Grundwasserströmung in den Gesteinsschichten rund um das Endlager einfach so gering und so langsam ist, dass in 10.000 Jahren nichts oder nur minimale Mengen entweichen können. Dies mit stichfesten (durch die gemessenen Daten unterstützten) mathematischen Methoden zu garantieren, ist die Aufgabe des mathematischen Gebietes der Unsicherheitsbestimmung. Da es sich aber um lange Zeiträume und um örtlich weitläufige Gebiete mit nur wenigen Messdaten handelt, ist eine präzise Quantifizierung sehr rechenintensiv und bedarf neuer mathematischer Ideen. Hier setzen wir mit meiner Gruppe an und liefern unsere Beiträge.

 

 

Die Unsicherheitsquantifizierung arbeitet daran, mittels Methoden wie der Monte Carlo Methode quantitative Aussagen für komplexe Situationen zu liefern. Die klassischen Beispiele aus der Praxis sind Wettervorhersagen. Welche Anwendungsgebiete und Projekte sind noch zu erwähnen und spielen in ihrer Arbeit eine Rolle? Gibt es Berührungspunkte zu unserem Institut?

Ich selbst arbeite auch noch mit Karbonfaserverbundstoffen im Flugzeugbau, mit additiver Manufaktur von Brücken und mit Batterien – alles Bereiche, in denen das Fraunhofer ITWM Kompetenzen hat und mit Firmen zusammenarbeitet. Auch in der Simulation von Isolationsmaterialien oder im Finanzsektor sind die Methoden, die ich in meinen Vorträgen behandelt habe, bereits im Einsatz.

UQ ist fast überall von Bedeutung und in den USA ist es sogar schon so weit, dass man nur mehr Förderung für ein simulationsbezogenes Forschungsprojekt bekommt, wenn sich auch ein Unterprojekt mit der Unsicherheitsbestimmung des Problems befasst.

Das Interview führte Esther Packullat vom Fraunhofer ITWM.