Der elfte Blick über den Tellerrand in diesem Jahr hatte den Titel »Verträglichkeit/ Unverträglichkeit von Schöpfungsgedanke und Naturwissenschaft«. Der deutsche Philosph Prof. Dr. Holm Tetens, der zuletzt an der Freien Universität Berlin dozierte, begann seinen Vortrag mit der These, dass die Akzeptanz von wissenschaftlichen Methoden und ihrer Resultate in keinem Widerspruch zum Schöpfungsgedanken stehen.
»Wer die Urknallhypothese akzeptiert, hat keine guten Gründe, den Schöpfungsgedanken als bloße Spekulation, als unvernünftig, als offensichtliches Wunschdenken oder was auch immer abzutun«, formulierte Holm Tetens sehr prägnant seine Grundannahme. Daraufhin legte er Argumente für die Richtigkeit der Urknallhypothese dar. Er folgerte schließlich daraus, dass der Urknall zwar nicht bewiesen aber plausibel erklärbar ist.
Die Argumentation der Schöpfungshypothese setzt ähnlich an, dass alles, was einen zeitlichen Beginn hat, rational erklärt werden kann und muss. Tetens führt dann aus, dass es dann ein Wesen geben muss, das Eigenschaften besitzt wie Allmacht, Allwissenheit, Allgegenwart. Das heißt im Klartext: »Also ist es plausibel, dass Gott – als Schöpfer des Universums – im Sinne der theistischen Religionen existiert.«
Im weiteren Verlauf fügte Holm Tetens diese beiden Erklärungsrichtungen immer weiter zusammen und zeigt die Vereinbarkeit auf. Schließlich ging er noch auf die Argumente für den Vorrang des Theismus vor dem Atheismus ein. Denn wenn man zwei konträre Annahmen hat, so akzeptiert man jene, welche mehr erklären und verständlich machen kann. Da der Atheismus keine Erklärungsansätze liefert, ist die Kombination aus Schöpfungsgedanke und Erkenntnissen der Wissenschaft ein umfangreicheres Erklärungskonstrukt als die Verknüpfung von Atheismus und Wissenschaft. So schlussfolgerte Holm Tetens, dass der Schöpfungsgedanke zu akzeptieren sei und nicht der Atheismus.
Zum Referenten und zur Vortragsreihe »Blick über den Tellerrand«
Holm Tetens, geboren 1948, war bis zu seiner Emeritierung im Jahr 2015 Professor für theoretische Philosophie an der Freien Universität Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte lagen dort in der Wissenschaftstheorie, der Philosophie des Geistes, der Religionsphilosophie, der Metaphilosophie und der Argumentationstheorie.
Veröffentlichungen (Auswahl): Experimentelle Erfahrung (1987); Geist, Gehirn, Maschine (1994); Wittgensteins »Tractatus«. Ein Kommentar (2009); Philosophisches Argumentieren (2010); Kants Kritik der reinen Vernunft. Ein systematischer Kommentar (2006); Wissenschaftstheorie. Eine Einführung (2013); Gott denken (2015).
Einmal im Monat öffnet das ITWM die Türen für alle Interessierten und lädt beim »Blick über den Tellerrand« dazu ein, gemeinsam den Horizont zu erweitern. Die interdisziplinäre Vortragsreihe des Felix-Klein-Zentrums für Mathematik präsentiert unterschiedliche Referenten mit verschiedensten Themen. Jeder ist herzlich eingeladen zuzuhören und mitzudiskutieren. Der Eintritt ist frei.
Den Text verfasste Olivia Böck vom Fraunhofer ITWM.