Die Mathematik ist heutzutage aus dem Blickfeld vieler gebildeter Menschen verschwunden, die ohne rot zu werden von sich behaupten können, sie verstünden von keiner mathematischen Wissenschaft etwas. Woher das kommt und wieviel Mathematik ein gebildeter Mensch heutzutage wissen muss, beantwortete Dr. Graf von Wallwitz im »Blick über den Tellerrand« am 11. Dezember 2018.

Bildung ist ein Haltung zur Welt
Dr. Graf von Wallwitz ist sowohl Mathematiker als auch Philosoph, wobei er sich selbstironisch als »Dilettant der Mathematik« bezeichnet, da er sich aus Freude an der Mathematik mit dem Gebiet beschäftigt. Sein Augenmerk liegt auf der Fragestellung, wie viel der Mathematik ein gebildeter Mensch des 20. Jahrhunderts wissen muss. Die Definition von Bildung, die Dr. Graf von Wallwitz gab, ist die Reifung einer Person im Umgang mit seiner Umwelt oder wie er Goethe zitierte, dass »Bildung als eine Haltung zur Welt« charakterisiert werden kann. Jedoch ist Bildung in jedem Fall etwas Mühevolles, bei der man sich anstrengen muss, um etwas zu erreichen.

Moderne Mathematiker sind den wenigsten bekannt
Graf von Wallwitz zeigt sich erstaunt darüber, dass nicht wirklich viele Menschen heutzutage bedeutende Mathematiker nennen können, die nach Carl Friedrich Gauß (*1777) geboren sind. Somit sind Namen wie beispielsweise David Hilbert oder Felix Klein nur den wenigsten geläufig. Graf von Wallwitz rätselt darüber welche Merkmale in 200-300 Jahren das 20. Jahrhundert rückblickend beschreiben werden, ob es die Vielfalt und Ausprägungen der Ideologien sind oder die Frage, woher der mathematisch-naturwissenschaftliche Aufschwung kam.

Mathematik ist Vorbild für alle Wissensgebiete
Die Bedeutung der Mathematik begründet von Wallwitz damit, dass die Mathematik die Sprache der Natur ist und somit einen Teil der Bildung darstellt. Für ihn ist die Axiomatik eine wichtige Eigenschaft der Mathematik. Sie beschreibt die Grundgedanken und einfachsten Bausteine aus denen sich die gesamte Struktur der Mathematik logisch ableiten lässt. Jedoch soll diese nicht dazu verwendet werden, um anderen Wissensgebieten übergestülpt zu werden, sondern vielmehr dazu anregen soll, in jedem Wissensgebiet eigenen Axiome zu formulieren.

Historie erleichtert Zugang zur Mathematik
In den gegenwärtigen Bildungskanon, wie ihn Dr. Graf von Wallwitz nennt, gehören auf jeden Fall einige Namen von Mathematikern des 20. Jahrhunderts, wobei das Verständnis ihrer Arbeitsgebiete auch bereits über geschichtliche Hintergründe aufgebaut werden kann. Denn historisches Wissen kann den Zugang zu mathematischen Errungenschaften und Zusammenhängen wesentlich leichter eröffnen.

Zum Referent und zur Vortragsreihe »Blick über den Tellerrand«

Dr. Georg Graf von Wallwitz, geb. 1968, studierte Mathematik in Freiburg und Exeter (GB) und wurde in Tübingen in Philosophie promoviert. Anschließend war er Visiting Fellow an der Universität Princeton (USA). Seit 1998 ist er Fondsmanager, zunächst bei der DWS und seit 2004 mit einer eigenen Firma in München. Er hat eine Reihe wissenschaftlicher Aufsätze zu philosophischen Themen (insbes. Leibniz und Fichte) veröffentlicht. Er hat drei Bücher geschrieben, zuletzt ist von ihm 2017 im Berenberg-Verlag eine Biographie über David Hilbert erschienen.

Einmal im Monat öffnet das ITWM die Türen für alle Interessierten und lädt beim »Blick über den Tellerrand« dazu ein, gemeinsam den Horizont zu erweitern. Die interdisziplinäre Vortragsreihe des Felix-Klein-Zentrums für Mathematik präsentiert unterschiedliche Referenten mit verschiedensten Themen. Jeder ist herzlich eingeladen zuzuhören und mitzudiskutieren. Der Eintritt ist frei.

Den Text verfasste Olivia Böck vom Fraunhofer ITWM.