Im »Blick über den Tellerrand« im Mai gibt Prof. Dr. Prof. h.c. Andreas Dengel Einblicke in die komplexe Welt der Künstlichen Intelligenz (KI). Der Standortleiter des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Kaiserslautern ordnet dabei nicht nur den Begriff KI ein, sondern zeigt im Vortrag verschiedene Ansätze der KI und Anwendungsbeispiele.

Referent Dengel beginnt mit dem Ziel seines Vortrags »Ich will KI ins richtige Licht rücken«. Eine Mission, die er sich als Vertreter des weltweit größten Instituts für Künstliche Intelligenz besonders auf die Fahnen schreiben kann. Als Basis grenzt er aber erst mal die Definition von KI genauer ein. »Unser menschlicher Verstand behilft sich unterschiedlicher Dimensionen, um intelligent zu handeln«, so Dengel. Von der rational-logischen Ebene über die emotionalen Aspekte bis hin zu Bewusstsein, Intuition oder Kreativität – das menschliche Gehirn bewertet und wägt vielschichtig ab. In dem Bereich, wo kognitive Leistungen messbar und verstehbar sind, überflügeln Computer den Menschen bereits heute schon um ein Vielfaches.

Das liegt vor allem an den neuen Möglichkeiten der Technik: »Maschinelles (tiefes) Lernen und massiv parallele Hardware sind zwei dieser technologischen Sprünge«, berichtet Dengel. Ein Aspekt ist aber fast noch entscheidender: die Verfügbarkeit großer Datenmengen. Zu Gründungszeiten des DFKI vor über 30 Jahren sei die Arbeit noch eine »Datenjagd« gewesen, erzählt der Leiter des Forschungsbereichs Smarte Daten & Wissensdienste. Das sei heute ganz anders. Es stehen Massen an Daten zur Verfügung, teilweise sogar öffentlich zugänglich, man muss die Datenschätze nur richtig heben. Dann kann KI Daten analysieren, beurteilen und Zusammenhänge aufdecken. Dabei gehen die Maschinen immer als »Mustererkenner« vor und suchen nach Regeln, die sie aus den Daten lernen können. Welche Einsatzgebiete sich so ergeben, zeigt der Referent an zwei großen Beispielbereichen aus der Projektpraxis seines Instituts:

KI als Informations-Butler

KI hilft Menschen, sich besser an Zusammenhänge im Rahmen der täglichen Arbeit zu erinnern und sich zu organisieren – im Zeitalter von »Multitasking Craziness« fungieren Maschinen als »Informations-Butler«, die den Alltag erleichtern. Dabei setzen Systeme Informationsobjekte der Arbeitsumgebung semantisch zueinander in Beziehung. Ein Corporate Memory unterstützt dann zum Beispiel beim Notieren von Gedanken. Mittels Handschrifterkennung kombiniert es die Notizen digital direkt mit anderen Daten. Sogenannte Wissensgraphen schaffen Ordnung in einer immer komplexer werdenden Welt. Diese verbinden konkrete Objekte und Dinge verschiedener Art (z. B. Orte, Namen, Organisationen etc.) auf systematische Weise. Wissensgraphen finden sich inzwischen überall: ob Facebook, Microsoft oder Google (Google Knowlegde Graph), alle unterhalten eigene Graphen als Teil ihrer Technologie. Das DFKI macht sich solche in seinen Projekten ebenfalls in ganz unterschiedlichen Bereichen zunutze.

KI simuliert Intelligenz – Bilderkennung als Beispiel

Ein weiterer Beispielbereich, den Dengel umreißt, steht unter dem Motto: »KI hilft, zu verstehen, über was die Welt redet und wie die Menschen sich dabei fühlen«. Das sogenannte Multimedia Opinion Mining macht er anhand von Bilderkennung deutlich: Was Menschen empfinden, wenn sie Bilder betrachten, hängt von der Perspektive, Assoziationen und Kontexten ab. Gerade in den Sozialen Medien zeigt sich: es gibt eine vielfältige und intensive Kommunikation, die die Menschen bewegt. Wie lässt sich das einer Maschine beibringen? Wie lassen sich hier Muster erkennen?

Die Forschenden interessiert besonders die Wirkung der Bilder auf die Betrachtenden. Emotionen drücken sich sprachlich meist über Adjektive aus, einige von ihnen sind positiv, andere negativ besetzt. Der Eindruck von Bildinhalten hat unterschiedliche Wirkung und kann zu alternativen Interpretationen führen. Ein Bild von einem Hund ist nicht gleich ein Bild von einem Hund, sondern er kann süß oder gar bedrohlich wirken. »Wir haben einen visuellen Sentiment-Analyse-Ansatz implementiert, der versucht, emotionale Konzepte in Bildern zu verstehen«, so Dengel. Auch dabei heißt es: Trainieren eines neuronalen Netzes (Deep Learning) mit vorhandenen Daten. Das neuronale Netz klassifiziert dann Adjektiv-Nomen-Paare und simuliert so die subjektive Wahrnehmung des Menschen.

Dabei ist Dengel besonders wichtig: »Systeme simulieren immer nur Intelligenz. Maschinen lernen nur das, was wir ihnen beibringen«. Er sieht sich selbst im Wirrwarr des schnelllebigen Themas KI als »Übersetzer in die Sprache der breiten Öffentlichkeit«. Er schließt seinen Vortrag daher mit einer Message, die er dem Publikum mit auf den Weg geben will: »Wir stehen vor einem unaufhaltsamen Paradigmenwechsel für die Mensch-Computer-Interaktionen, wo Softwaresysteme im Alltag als lernende Intelligenzverstärker fungieren und wirken, um die kognitiven Fähigkeiten des Menschen zu ergänzen«. In der anschließenden Diskussion mit den Tellerrand-Besuchenden rücken die Vorbehalte und sicherheitskritischen Bereiche der KI nochmal mehr in den Fokus. Wie kann eine Partnerschaft mit den Rechensklaven – der Maschine – eingegangen werden, die uns auch wirklich hilft?

Zum Referenten und zur Vortragsreihe »Blick über den Tellerrand«

Prof. Andreas Dengel ist Standortleiter des DFKI in Kaiserslautern und wissenschaftlicher Direktor des Forschungsbereichs Smart Data & Knowledge Services am DFKI. Seit 1993 leitet Dengel auch den Lehrstuhl Wissensbasierte Systeme am Fachbereich Informatik der TU Kaiserslautern. In den letzten Jahren gründete und initiierte er rund ein Dutzend KI-Start-up-Unternehmen. Darüber hinaus ist Prof. Dengel Fellow der International Association for Pattern Recognition (IAPR) und Vorsitzender der Flexible Factory Partner Alliance (FFPA). Er berät akademische Einrichtungen, Forschungsprogramme sowie Ministerien im In- und Ausland. In seiner Karriere erhielt er viele Auszeichnungen, u.a. eine Distinguished Honorar Professorship (tokubetu eiyo kyoju) an der Präfektur-Universität Osaka. Eine Ehre, die in 135 Jahren nur fünf Wissenschaftlern zuteilwurde. Vor seinem Wechsel zum DFKI und zur TU Kaiserslautern arbeitete er bei IBM, Siemens Research, Xerox Parc und der Universität Stuttgart.

Einmal im Monat öffnet das ITWM die Türen für alle Interessierten und lädt beim »Blick über den Tellerrand« dazu ein, gemeinsam den Horizont zu erweitern. Die interdisziplinäre Vortragsreihe des Felix-Klein-Zentrums für Mathematik präsentiert unterschiedliche Referenten mit verschiedensten Themen. Jeder ist herzlich eingeladen zuzuhören und mitzudiskutieren. Der Eintritt ist frei.

Den Text verfasste Esther Packulat vom Fraunhofer ITWM.

Foto: Fraunhofer ITWM