Buntes Programm der Studis – vom Kochen, diskreter Optimierung und Mathe überm Tellerrand

– Einmal jährlich organisiert die Felix-Klein-Akademie für die Felix-Klein-Stipendiaten eine Herbstschule, in der das mathematische Modellieren im Vordergrund steht. Unterstützt von Mathematikerinnen und Mathematikern lernen die Studierenden in dieser Woche das Problemlösen mit Hilfe mathematischer Modellierung und Computersimulationen. Die Ergebnisse präsentieren die Gruppen am Ende der Woche im Plenum.

Die Stipendiatinnen und Stipendiaten besuchten im Laufe der Woche zudem die dreitägige Konferenz »Discrete Optimization«, die an unserem Institut stattfand und hörten dabei Vorträge von international renom­mierten Experten:

  • Prof. Marco Lübbecke, RWTH Aachen
  • Prof. Sebastian Pokutta, ZIB und TU Berlin
  • Prof. René Sitters, Vrije Universiteit, Amsterdam

Außerdem besuchen sie den »Blick über den Tellerrand – Spezial« mit einer Talkrunde unter der Überschrift »Mathematik ist nützlich – Mathematiker auch?«. Der Mathematiker Prof. Dr. Dr.-Ing. h.c. Hans-Otto Peitgen diskutiert mit Gästen über erfolgreiche und nachhaltige Projekte aus dem Fraunhofer ITWM.

Als Freizeithighlight nehmen alle Beteiligten darüber hinaus an einem Team-Cooking-Event teil und kochen ein mediterranes Themenbüffet unter Anleitung von Profiköchen in Peter Scharff‘s Kulinarischem Kompetenzzentrum Kaiserslautern. Wir sammeln hier auf dieser Seite Impressionen der Woche.

Unsere Gruppen in der Herbstschule 2019

Die Gruppen setzen sich aus Mathe-Studententinnen und -Studenten verschiedener Fachsemester zusammen. Ihre Aufgabe besteht darin, ein reales Problem in ein mathematisches zu übersetzen. Das Modell, welches hierbei entwickelt wird, werten sie aus und überprüfen die Lösung auf ihre Relevanz. Die Ergeb­nisse präsentieren die Teams am Ende der Woche im Plenum. Die Teilnehmenden konnten vorab zwischen vier Projekten mit unterschiedlichen Themenschwerpunkten wählen:

  1. Ganzheitliche Betrachtung der Lieferkette in Bezug auf Risiken und Kosten (Betreuer: Erik Diessel, Bereich Optimierung, Fraunhofer ITWM)
  2. Thermoablation von Tumoren (Betreuer: Sebastian Blauth, Abteilung Transportvorgänge, Fraunhofer ITWM)
  3. Optimale Parameteridentifikation für den Sandkasten (Betreuer: Jonathan Jahnke und Benjamin Bauer, Bereich Mathematik für die Fahrzeugentwicklung, Fraunhofer ITWM)
  4. Extremereignisse: Was kann ein Versicherer tun? (Betreuer: Christian Laudagé, Abteilung Finanzmathematik, Fraunhofer ITWM)

1. Gruppe mit dem Thema: Ganzheitliche Betrachtung der Lieferkette in Bezug auf Risiken und Kosten

Firmen beziehen ihre Materialien oft von einer Vielzahl von Zulieferern, die weltweit verteilt sind und sich in Preisen und anderen Eigenschaften unterscheiden. Eine Firma muss nun entscheiden, wo sie bestellt und in welchen Mengen. Dabei ist es nicht immer sinnvoll, einfach nur alles beim günstigsten Anbieter zu bestellen: Denn wenn dieser ausfällt, bricht die gesamte Produktion zusammen. Stattdessen sollte man das Risiko reduzieren indem man die Bestellmengen aufteilt. Da dies jedoch meistens die Kosten erhöht, ist eine Abwägung zwischen Kosten und Risiken notwendig.

Mittels der Methodologie der Adjustable Robust Optimization kann man Ausfallrisiken modellieren und optimieren. Dies kann man nun mit einer bikriteriellen Optimierung verbinden, bei der man Lösungen findet, die eine optimale Abwägung zwischen den Kriterien Risiko und Kosten treffen. Man erhält so eine Vielzahl von verschiedenen möglichen Lösungen. Die letztendliche Entscheidung, wieviel Risiko und Kosten man tragen kann, muss jedoch eine fiktive Managerin treffen. Gruppe 1 soll ihr – unter Anleitung von Erik Diessel – helfen, diese zu treffen.

Gruppe 1: Ganzheitliche Betrachtung der Lieferkette in Bezug auf Risiken und Kosten (Betreuer: Erik Diessel, Bereich Optimierung, Fraunhofer ITWM)

Gruppe 2: Thermoablation von Tumoren (Betreuer: Sebastian Blauth, Abteilung Transportvorgänge, Fraunhofer ITWM)

2. Gruppe mit dem Thema: Thermoablation von Tumoren

Mathematik rettet in der Medizin Tag für Tag Leben. Mit der Methode der Thermoablation behandeln Kliniken Tumore, indem ein Laser Hitze erzeugt, die das kranke Gewebe zerstört. Insbesondere für Metastasen in der Leber ist dies ein vielversprechender Ansatz, denn chirurgisch sind diese schlecht zu entfernen. Die Position des Lasers ist dabei entscheidend, denn diese bestimmt, welches Gewebe zerstört wird und welches nicht. Dabei muss die Therapie möglichst das gesamte bösartige Tumorgewebe entfernen, aber das gesundes Gewebe so wenig wie möglich beschädigen. Auch Blutgefäße müssen dabei berücksichtigt werden, denn sie kühlen das umliegende Gewebe ab und haben damit einen großen Einfluss auf den Erfolg der Therapie.

Unter Anleitung von Sebastian Blauth arbeitet unsere Gruppe 2 an folgenden Fragenstellungen: Wie kann man den Vorgang der Thermoablation mathematisch modellieren? Kann man die Position des Lasers optimieren? Wie kann man mit den Blutgefäßen umgehen? Wie kann das gewonnene Wissen angewandt werden, um eine Lasertherapie zu planen und zu optimieren?

3. Gruppe mit dem Thema: Optimale Parameteridentifikation für den Sandkasten

Dass diese Woche neben mathematischen Herausforderungen auch Spiel und Spaß verspricht, zeigen nicht nur die Freizeitaktivitäten, sondern auch das Projekt unserer dritten Gruppe: Diese dürfen die nächsten Tage nämlich im (virtuellen) Sandkasten verbringen. Jonathan Jahnke und Benjamin Bauer aus dem Bereich »Mathematik für die Fahrzeugentwicklung« zeigen die Schwierigkeiten in der Simulation von Böden auf.

Hierbei werden häufig Partikelmodelle verwendet. Dazu prüfen die Stipendiatinnen und Stipendiaten, welche Interaktionsgesetze für zweidimensionale, sphärische Partikel geeignet sind, damit sie das Verhalten von Boden gut abbilden. Welche Kräfte sind relevant und welche Gleichungen beschreiben die Dynamik? Für physikalisch aussagekräftige Ergebnisse ist außerdem eine Parametrierung des Modells unabdingbar. Die dazu verwendeten Tests sind häufig sehr zeitaufwendig, deshalb diskutieren die Studierenden in der Gruppe verschiedene Ansätze, welche die bestehenden Parametrierungsstrategien beschleunigen und optimieren. Den Studis stehen ein Datensatz mit Messdaten sowie dazu passende Simulationsdaten zur Verfügung.

Gruppe 3: Optimale Parameteridentifikation für den Sandkasten (Betreuer: Jonathan Jahnke und Benjamin Bauer, Bereich Mathematik für die Fahrzeugentwicklung, Fraunhofer ITWM)

Gruppe 4: Extremereignisse – Was kann ein Versicherer tun? (Betreuer: Christian Laudagé, Abteilung Finanzmathematik, Fraunhofer ITWM)

4. Gruppe mit dem Thema: Extremereignisse – Was kann ein Versicherer tun?

Erst letzten Monat wappneten sich die Karibik und die USA gegen Hurrikan Dorian – die Schäden, die er hinterlassen hat sind riesig. Für Versicherer sind solche durch Extremereignisse wie Überschwemmungen, Tornados oder Großbrände verursachte Schäden außergewöhnlich hohe Verluste.

Am Beispiel eines Versicherers, der sich über passende Gegenmaßnahmen informieren möchte, diskutieren die Studierenden der vierten Gruppe zusammen mit unserem Experten aus der Abteilung »Finanzmathematik« Christian Laudagé solche Extremereignisse und Strategien, welche ein Versicherungsunternehmen darauf vorbereiten. Anhand historischer Versicherungsdatensätze modelliert die Gruppe die Struktur der Extremschäden und stellt mögliche Handlungsoptionen zur Absicherung eines weiteren Extremereignisses zusammen. In einem letzten Schritt soll die persönliche Präferenz des Vorstands in die Risikomodellierung einfließen.

 

Den Text verfasste Esther Packullat vom Fraunhofer ITWM.